Lieber Rudi,
der Zufall wollte es, dass erst vor wenigen Tagen dein Spieler-Ausweis aus dem Jahre 1953 in Unterlagen deines langjährigen Mannschaftskameraden Ludwig Anglhuber gefunden wurde.
Das bedeutet du kannst wieder aktiv in das Spielgeschehen eingreifen.
Rudi lächelt und winkt ab!
Wie hat es mit dem Fußballspielen bei dir angefangen?
Wie fast alle zu der Zeit bin auch ich als junger Bub auf den Straßen und Wiesen dem Ball nachgerannt. Das sportliche Vergnügen wurde allerdings für uns alle jäh mit Beginn des 2. Weltkrieges unterbrochen. Doch habe ich bei der Wehrmacht Fußball zur sportlichen Betätigung und Ablenkung gespielt.
Nach Kriegsende bin ich bereits 1946 dem wiedergegründeten Fußballverein beigetreten, da zu der Zeit der Turnverein noch nicht wieder aktiv war.
Wie man nachlesen kann, war die Neuenburger Mannschaft von Beginn an sehr erfolgreich. Was waren die Gründe dafür?
Neuenburg hatte schon immer gute Fußballer. Mit viel Begeisterung und Einsatz haben wir auf dem von der Stadt zugewiesenen ehemaligen DJK-Sportplatz südlich der Bahnlinie (heute befindet sich dort das Autohaus Pfister) trainiert. Franz Müller (Vereinsgründer und „Fußballvater“), organisierte immer wieder für einzelne Trainingsabende ausgebildete Trainer aus Freiburg (u.a. Rudi Bantle), die uns in Balltechnik und Taktik verbesserten. Da ich sehr gut „Rennen“ konnte, spielte ich als linker Läufer und konnte so unseren Stürmern und Torjägern Ernst Walz und den Brüdern Ottl und Eugen Kocheise den Rücken freihalten. Der Ottl Kocheise war so engagiert, dass er sich nach vergebenen Torchancen auf dem Boden wälzte und „Gras fraß“.
Zu der Zeit hatte der Verein kaum finanzielle Möglichkeiten, wie wurde alles organisiert?
Trikots, Hosen, Stutzen und Schuhe hat jeder Spieler selbst angefertigt. Zu den Auswärtsspielen sind wir mit einem LKW von Alex Schreiber (heute eine Silo-Fachspedition) gefahren.
Wie war es nach dem Aufstieg in die 2. Amateurliga, damals die vierthöchste Spielklasse?
Als nach dem letzten Auswärtsspiel in der Bezirksliga unser Aufstieg feststand, gab es eine rauschende Meisterschaftsfeier „im Kistle“ am Bahnhof. Wir Neuenburger waren stolz, als einzige Mannschaft zwischen Lörrach und Freiburg in dieser Liga zu spielen. Auch Mannschaften wie der Sport-Club Freiburg (heute Bundesligist) gehörten zu unseren Gegnern.
Nachfolgend ein Mannschaftsfoto der Neuenburger Elf (Rudi Saurer ist der dritte Spieler stehend von rechts), welches in Schopfheim in den Jahren 1950/51 angefertigt wurde. Leider ist über den Gegner nichts bekannt!
An welche Anekdoten kannst du dich noch erinnern?
Bei den Heimspielen standen Stadtpfarrer Wassmer und Bauunternehmer Unser immer an der gleichen Stelle an der südlichen Seite des Spielfeldes. Bei einem Zweikampf habe ich einmal versehentlich Herr Unser umgerannt. Er blieb aber unverletzt!
Lustig war auch, dass alle unsere Spielerfrauen bei der Einweihung des neuen Spielplatzes am Wuhrloch in den Mittelkreis pullern „durften“.
Aha, deshalb wuchs dort der Rasen so gut. Wie lange hast du aktiv Fußball gespielt?
Gekickt habe ich bis 1965. Nach der aktiven Zeit noch viele Jahre bei den „Alten Herren“, u.a. mit Fußballkameraden der ersten Nachkriegsmannschaften wie Xaver Orth, Edwin Hirzel, Walter Baumann, Kurt Meisinger, Oskar Hamburger, Erwin Wolf, Heinrich Leible, Walter Brück und vielen mehr.
Lieber Rudi, vielen Dank für deine Erzählungen über eine nicht leichte, aber erfolgreiche Zeit des FC Neuenburg. Ich hoffe du kannst dem Neuenburger Fußballsport noch viele Jahre, mindestens bis du ebenfalls 100 Jahre alt bist, beiwohnen.
Alles Gute bis dahin. Otmar Pfister/im Juni 2020